Dieser Blog erzählt die Geschichte von drei Handvoll Erde und und ihrer Reise durch ein Jahrhundert.

Donnerstag, 2. Januar 2014

Zeremonie für Jules André Peugeot



...und es war heiß, an jenem 2. August 2013, als ich das erste Mal der Zeremonie beiwohnte. Es ging um Peugeot und gemeint war damit kein Auto, sondern der erste Französische Gefallene von 1914. Er fiel an einem ebenso heißen zweiten August im Jahr 1914 und damit ein Tag vor der Deutschen Kriegserklärung an Frankreich und exakt 99 Jahre vor dieser Zeremonie.



Es war eine deutsche Patrouillie auf illegaler Tour im Terretoire Belfort auf Erkundung geritten und hatte den 21 jährigen Soldaten in Joncherey getötet. Dabei fiel auch sein 22 Jahre zählender Mörder: Albert Mayer, ein Leutnant zu Pferde, der - von seinem Gegner überrascht - gleich mehrfach auf ihn zu schiessen begann. Noch von Peugeot angeschossen und von einem weiteren Schützen tödlich getroffen, reitet Mayer die Dorfstraße Richtung Joncherey herunter, bevor er tod vom Pferd fällt.
Ein "Western" im Hügelgrün an der burgundischen Pforte - gegen Mittag in der Hitze und nur ein paar Stunden vor dem Beginn der materialen und multinationalen Massenschlachtungen, die hernach über fünf Jahre den europäischen Kontinent erschüttern sollten. Das sollte dann später der ERSTE WELTKRIEG geheissen werden.

So oder so ähnlich begab es sich in Joncherey. 99 Jahre nach dem tragischen Tod von Peugeot wird - wie all die Jahre zuvor - der tote  Held geehrt und sein orginal Kappy auf einem weißen Tisch vor das Monument gestellt.

Veteranen aus den verschiedenen Französischen Kriegen stehen Palier, hissen zur Hymne ihre Flaggen; bewaffnete aktuelle Einheiten salutieren, Bürgermeister, Präfekten und veterane Vertreter sprechen Worte des Trostes, Worte des Krieges und mehr noch des Friedens und der Völkerverständigung. Das Drama von Joncherey - die jungen und tragischen Toten - vereint die Kommune, den Landkreis und läßt Besucher bis aus Etupes kommen. Ein Ort lebt von seiner jüngsten Geschichte.

Ich bin der einzige Deutsche unter gut zwei Hundert Gästen an diesem 2. August 2013.
Und vor dem Monument steht in historischer Uniform ein Wiedergänger von Peugeot - in roter Kappy und wollenen Gewand - der brutalen Hitze diese Augusts ausgesetzt - neben einer entzündeten Flamme im Blechtopf.

Ein falscher Poilu steht da - einfach so. Als eine Mischung aus Betroffenheit und Karneval, Militarismus und Kulturpflege vergangener Vergangenheiten?
Als was und für wen? Für den Touristen? Für den Toten? Woran denkt der Mann, der da schwitzt? ...und später höre ich, er habe sich selbst als Wiedergänger erfunden und dem örtlichen Bürgermeister vorgeschlagen, daß er da stehen könne.

Ich hörte die Reden der Politik, besuchte beim Ehrenwein die Ausstellung neben dem Rathaus von Joncherey, notierte mir Dinge und suche bis heute nach einer Haltung zum Geschehen. Ein ernstes Spiel mit wahren und tragischen Begebenheiten - oder ein Erstarren der Formen? - eine Erinnerung an den Krieg? Mit einem uneingetrübten und ungebrochenen Verhältnis zur militärischen Tradition? Wie verschieden doch Deutschland und Frankreich der Kriege gedenken!

Gleichen welchen Krieg Frankreich schlug oder schlagen musste(!), seine Opfer werden
monumental erinnert. Welcher Krieg, wo auch immer gespielt wurde, wenn er bedacht wird, sind alle Veteranen geladen. Es erscheint dann der Krieg wie ein einziger und fortgeschriebener vaterländische Krieg.

Für wen und warum aber stand der falsche Wiedergänger des ersten Toten von 1914 da? 'War es schon Folklore oder noch Trauer und Andenken? Wird also der 100. Jahrestag der klare Übergang des Ersten Welkrieges zur Varusschlacht?

Oder wird - wie Präsident Holland jüngst betonte -  die Erinnerung an den Grande Guerre die nationale Einheit stärken?

Und der hundertste Jahrestag des Ersten Weltkriegs wirklich die Feierlichkeiten zur Französische Revolution in den Schatten stellen? Warum sollte das so sein?
Wird der memmorierte Krieg zum kalkulierten Karneval?
Wird erfolgreiches Stadtmarketing die anverwandten Opfer zu Kriegsfestspielen einladen?

Welche Faszination des Grauens wird die meisten locken können? 

Ein grübelnder Gruß aus den verregneten Vogesen, heute, am 2. Januar 2014.
...mit designten Postkarten vom 99. Jahrestag in Joncherey, als die Frau im orangenen Kleid so schöne Bilder mit dem echten Falschen Poilu machte.

Ruppe Koselleck
für MAYERS ERDE

MAYERS ERDE ist ein Kooperationsprojekt des Onlinepromoventen mit der Universität Osnabrück, Prof. Dr. Andreas Brenne,  dem Widukind Museum Enger sowie Remember 1914-1918

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