Dieser Blog erzählt die Geschichte von drei Handvoll Erde und und ihrer Reise durch ein Jahrhundert.

Dienstag, 1. April 2014

[terra'i;n]

In letzter Minute vor Ausstellungseröffnung in Goslar reichte Simon S. noch den Transformationsvorschlag Terrain [terra'i;n] ein. Ein Extrakt aus der Graberde des Ersten Gefallenen von 1914 wird zu einer Droge aufbereitet, die dem Kampfeinsatz dienlich sei. Die bislang vielleicht böseste Satire im Kontext der Verwendungs- oder Verwertungsgeschichte der historischen Graberde.
Analog zur Verwendung der Grabeerden als Blut-und-Boden Reliquie zur Steigerung der Opferbereitschaft der Deutschen Jugend im NS Staat, findet hier unter einem wissenschaftlichen Vorzeichen eine Weiterentwicklung und mithin eine Aktualisierung im Sinne eines historischen Wandels von 1914 bis 2014. In dem mit abgelichteten Beipackzettel verweist der Autor auf die Straffälligkeit des Konsums von Terrain und stellt damit die Frage der Legalität des mutmachenden Kriegsmittel in den politisch-gesellschaftlichen Raum. Die Verwendung von enthemmenden Drogen für Soldaten im Kriegseinsatz koppelt Simon mit Fragen einer justiziablen Bewertung des Betäubungsmittelgesetzes [BTMG]. Was bedeutet Legalität im Kontext kriegerischer Auseinandersetzung? Welche Mittel sind zulässig? (...)

Seine radikale künstlerische Transformation der Aura der Graberde des Albert Mayer wird so zu einem intelligenten Destillat, das sich Terrahydrochlorid nennt, und damit einen medizinisch wirksamen Anteil im Kontext der aktuellen Erinnerungskultur ausmacht. Ein kleines Döschen mit roten Schraubverschluß wird zu einem sarkastischen Beitrag zu dem 100. Jahrestages des Ersten Weltkrieges, der den Blick auf die Verwertungsstrategien von Geschichte schärft.


Transformierte Vergangenheiten können als ein Geschichtsdoping wirken. Sein betäubender Charakter ist sinnfällig, gefährlich und führt zu einer intelligenten Intervention in den Rezeptionsalltag heute.
In der Auswahl, an was wir wie erinnern, tauchen Fragen des Erinnerungsprofits auf, der den Mißbrauch mit Opfern im Nachhinein ermöglicht. [terra'i;n] überspitzt den möglichen Mißbrauch mit den Toten und würdigt damit auf eine fundierte und hintergründige Weise das Schicksal von Albert Mayer. Denn das erste Opfer konnte sich nicht gegen die Verwendung als NS-Erdreliquie wehren - sein Gedenken wurde zur Heroisierung von Opferbereitschaft verwendet.

Das besondere Gedenken an seinen Tod, - "sein Opfer für das Vaterland" -  greift Simon 2014 so auf, dass einem Atem stockt, wenn man sich diese Erde in einer Line durch einen Geldschein selbst verabreicht.

Geschichtsdoping wird strafbar - wenn auch über den Umweg über das [BTMG].

Ruppe Koselleck,
am 1. April 2014 im Projekt MAYERS ERDE

[terra'i;n] entstand im Kontext eine EF-Kunstkurses mit dem Gymnasium Paulinum, Münster.

MAYERS ERDE ist ein Kooperationsprojekt des Onlinepromoventen mit der Universität Osnabrück, Prof. Dr. Andreas Brenne,  dem Widukind Museum Enger sowie Remember 1914-1918

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