Dieser Blog erzählt die Geschichte von drei Handvoll Erde und und ihrer Reise durch ein Jahrhundert.

Donnerstag, 19. Dezember 2013

WELTKULTURERDE


Am Freitag, den 13. Dezember 2013 hatten Schülerinnen und Schüler des Widukind Gymnasiums in Enger die Ausstellung WELTKULTURERBE eröffnet. Die örtliche Presse berichtete.



Im Kontext meiner Forschungen zu Albert Mayer interessierte mich der Bezug von Jugendlichen  zu drei Handvoll Graberde des ersten gefallenen deutschen Soldaten von 1914, die 1937 aus Illfurth (Frankreich) entnommen, 1939 dann als eine Blut und Boden Reliquie in der Widukind Gedächtnisstätte in Enger (Ostwestfalen) verehrt wurden, zwischenzeitlich in einer Kapelle in einer Fensterniesche abgestellt war, um heute im Widukind Museum als ein Museumsstück zur Dokumentation der NS Geschichte in einem offenen Tontopf hinter Gittern in einem Regal zu landen. Was für einen Bezug entwickeln Jugendliche  von 2013, wenn man sie mit dem verstaubten Stück konfrontiert - und was würden sie tun, wenn sie die Erde künstlerisch verarbeiten.
In einem zweieinhalb monatigen Kurs kam ich als Künstler und Promovent der Universität Osnabrück regelmäßig zur ungnädigen Zeit um 7:55 Uhr in ihre Klasse um ihre Projekte zu begleiten. Wichtig war mir, daß der erste Kurs im Stile der experimentellen Kunstvermittlung vor dem Jubiläumsjahr 2014 stattfand und der Informationsstand zum ersten Weltkrieg als normalniedrig einzuschätzen ist.

Julius,12. Klasse, Widukind Gymnasium
Neues Marketing aus Ostwestfalen
Ihre Konzepte, Ergebnisse und Vorschläge zum Umgang mit Mayers Erde fielen hochverschieden aus und bezogen sich stark auch auf die Tatsache, daß kaum einer in Enger die Graberde im Tontopf geschweige denn den Albert Mayer kennt. Eine Gruppe gründete sich als Neues Marketing in Ostwestfalen und entwickelte eine Reihe von Ansichtskarten, die die Stadt Enger in Bezug zu Albert Mayer seine Erde setzte.

London, Paris, Mayers Erde und Pferde
Marvin, 12. Klasse, Widukind Gymn.

Enger sieht rot
Andreas, 12. Klasse, Widukind Gymn.
Albert Mayer als gebürtiger Magdeburger ist mit der Stadt in Ostwestfalen nur über diese Graberde verbunden. Weder war er in Enger (zu Lebzeiten) noch hat man ihn fragen können, ob seine Graberde je nach Enger kommen sollte, noch hat man (nach aktueller Quellenlage) seine Familie dazu befragt oder je eine Genehmigung dazu eingeholt. Die Bezugslinie von Mayer zu Enger und weiter zu Widukind, in dessen Gedächtnisstätte, die Blut und Boden Reliquie verehrt werden sollte, geht auf eine Reise von 27 Engeranern zurück, die das Grabfeld in Illfurth besuchten. Dort entnahmen sie mit Genehmigung der französischen Friedhofsverwaltung Erde vom Einzelgrab und ließen sich das auch mit einem Stempel beglaubigen. Wie Widukind, der Sachsenherzog, gegen Charlemange, dem Franzosen ins Felde zog, so kämpfte ja auch Mayer gegen Frankreich. Diese nur mit der Brille  nationalsozialistischer Ideologie zu verstehende Widukind-Mayer Verbindung beschehrte Enger die Ehre dieser Erde. Später wurde dann aus Charlemange Karl der Große und der galt dann als Deutscher und das Gedächtnisstätten Konzept von Enger samt Widukind und Mayer geriet aus dem überregionalen Interesse.



Was aber von diesen Kontexten interessierte die Schülerinnen und Schüler von heute? Ausgehend von der eigentlichen, sachlichen Materialität der Erde selbst näherten sie sich ästhetisch und nur hintergründig und nebenseitig historisch dem Themenkomplex. Der Zugang zu den Möglichkeiten, was man alles damit machen kann, sollte so frei wie möglich bleiben und nicht von vorneherein, Denkmuster und Schablonen historischer Betroffenheit über ihre Konzepte und Strategien ihrer Arbeiten legen.

Neben der Idee aus MAYERS ERDE eine Marke zu machen, die als wirksame Heilerde gegen Schußverletzungen hilft und Tote lebendig werden läßt, kam es auch zu höchst magischen Vorgängen, mittels dieser Erde, Kontakt zum Jenseits zu ermöglichen. Der Kontakt wurde über einem Spiegel auf dem ausgestreute Graberdensurrogate lagen, hergestellt - eine schwarz gekleidete Magikerin half den Ratsuchenden, eine Verbindung zum Toten zu legen und stellte Frieden mit dem Toten und dem Überlebenen her. Daß mit ihrer gefilmten Performance durchaus Bezüge zum Okkultismus der 20er Jahre des vergangen Jahrhunderts war dem Zufall geschuldet und nicht der Information, daß Verzweifelte auf der Suche nach den hunderttausend Vermissten bereit waren, den unterschiedlichsten Propheten des diesseitigen Jenseits zu folgen.

Eine andere Gruppe gab sich den Namen ER IST GEFALLEN - WIR FINDEN GEFALLEN. Sie mischte Erde mit Pigmenten und erstellte Farben, die im Stile eines Holi Gulal verarbeitet wurden. Nach einem Exkurs in das Chemie Labor, drehten sie am Freitag, den 13. Dezember noch ein Video, daß am selben Tag in der Ausstellung WELTKULTURERDE gezeigt wurde. (siehe dazu auch: Eingangsvideo dieses Beitrags)
Daß Mayers Erde im Sinne der NS Ideologie den Zweck der Steigerung der Opferbereitschaft diente wird hier ebenso radikal und vergnüglich umgewandelt. Man sollte 1939 Gefallen am Fallen finden und findet 2013 Gefallen an der Umwertung der Erde, der Aufmischung mit Pigmenten zu einer Party. Zum Mayers Holi.

Zu sehen sind Jugendliche, die sich nicht als Opfer verführen lassen - zu sehen sind Jugendliche, die den verstaubten NS Zweck umwidmen und aus Erde und Farbe eine vergnügliche Welt kreieren, inmitten einer Baumschule in Enger. Es steigen Wolken auf. Sie sind weiß gekleidet in Schutzanzügen und lassen bei allem Vergnügen Fragen offen, die wie Wolken in den Dezemberhimmel aufsteigen.

Und der war blau an diesem Freitag, dem 13. -

Nach der Ausstellung gibt es noch die Postkarten noch im Widukind Museum zu kaufen - solange der Vorrat reicht - und demnächst wieder mehr und neues zu alten Graberden aus Enger.

...alles andere ist Bielefeld. Ruppe Koselleck für NEUES MARKeTING IN OSTWESTFALEN

Ruppe Koselleck
für MAYERS ERDE


MAYERS ERDE ist ein Kooperationsprojekt des Onlinepromoventen mit der Universität Osnabrück, Prof. Dr. Andreas Brenne, dem Widukind Gymnasium, dem Widukind Museum Enger sowie Remember 1914-1918

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