Dieser Blog erzählt die Geschichte von drei Handvoll Erde und und ihrer Reise durch ein Jahrhundert.

Mittwoch, 12. Juni 2013

Die Braut des toten Soldaten

Die Braut des toten Soldaten - oder ein Besuch bei Hans Sautters Ehrenmahl an der Karlsaue in Kassel, am 8. Juni 2013, 18 Uhr.

Ehrenmahl für die gefallenen Soldaten in einer Halle liegend, verschlossen hinter Gittern. Hans Sautter, 1922



Die Gedenktreppen sind in vier Trassen bis zum Ehrenmahl angeordnet.

Am Mauerwerk hängen Erinnerungstafeln für die Gefallenen und Opfer beider Weltkriege. Erinnert wird an die "Unbesiegten toten Eisenbahner des ersten Weltkrieges"(links) oder an die "Helden auf Pferden oder in Panzern des zweiten Weltkrieges" (siehe unten) bis zu den verfolgten und ermordeten Deserteuren im "Dirtten Reich".


In der vom "Kurhessischen Kriegerbund" 1922 errichteten Gedächtnisstätte für seine gefallenen Soldaten kann man "Geschichte und Strategien der Erinnerung" aus der Weimarer Zeit bis heute studieren.
Es sind die Toten, die verpflichten und es ist die Rede, von dem Deutschland, das leben muss, auch wenn wir sterben. Ferner finden auch Opfer des Nationalsozialismus und sogar Deserteure Erwähnung. Letztere haben eine eigene bronzene Tafel im Kontext der toten Soldaten gefunden. Man ahnt den Streit, den die einzelnen Tafeln und Ausdeutungen des Gedächtnisses resp. seiner Lücken ausmachen können. Die Anlage ist wunderschön gelegen und wird von Jugendlichen und Erwachsenen als ein erhohlsames Fleckchen Erde ausgemacht, genutzt und gelebt.

Woran oder an wen man beim Besuch der Erinnerungsstätte denkt, was man dort tut oder nicht zu tun unterlässt, soll an dieser Stelle nicht bewertet werden. Auf Nachfrage an wen oder was hier erinnert wird, kommen Antworten wie "tja - irgendwas mit Krieg". "Dem ersten Weltkrieg, glaube ich". Oder einfach nur "weiß nicht".


Die Treppen verbinden die Karlsauen mit der Schönen Aussicht, alle Zugänge
sind verschlossen, Jugendliche halten sich in zwei Etagen auf. Zuöberst und vor
dem liegenden toten Soldaten von Hans Sautter posiert eine Braut für eine Fotografin.


Man erreicht die abgeschlossene Gedächtnisstätte über einen ausgetrampelten
Pfad durchs Gebüsch und dem Sprung über eine kleine Mauer.

Ob schlecht erfunden oder wirr inszeniert - die Szene wirkte ganz unwahrscheinlich -
als sich die Braut auszieht, um in ihr Kleid zu schlüpfen und ich in das analoge Buch des ONLINEPROMOVENTEN zu schreiben begann.


Der alltägliche Gebrauch und die spezifischen Sitten im Kontext von Gedenkstätten zwischen Lagerfeuer, Kränzen, Bier und Betroffenheit sind Gegenstand meiner Notizen.

Und so entstand mit ein paar Schnitten dies Händievideo als aktueller Forschungsbeitrag zur experimentellen Gedenkstättenpädagogik heute, am 11. Juni 2013.

Die weggeschlossene Situation der Gedenktrassen erweist sich als ideal für alle, die unbeobachtet
Lagern, Lieben oder Feiern wollen. Als ich am Morgen des nächsten Tages die Gedächtnisstätte erneut aufsuche, um zu sehen, welche Spuren eine laue Nacht in den Karlsauen hinterläßt, so ist das Gittertor aus seiner Verankerung in der Mauer herausgelöst, weil das Schloss der Gewalt standhielt und der Mörtel im Stein brach.


Ein paar Treppenstufen abwärts stosse ich auf ein Treueversprechen am Geländer, das gestern dort noch nicht zu hängen schien...

Ob es hält, was es verspricht?

Ruppe Koselleck
für MAYERS ERDE

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